Digitale Bildformate. Das Beispiel Adobe Photoshop
Eine Art und Weise, wie der gegenwärtige, alle kulturellen und ästhetischen Bereiche durchdringende Prozess der Digitalisierung beschrieben werden kann, ist die Verschiebung von einem theoretischen und methodischen Diskurs, der Medien und ihre sogenannten Inhalte als von einer spezifischen technischen ‚Materialität‘ geprägt beschrieben hat, zu einem Diskurs, der Medien als wandelbare Software-Formate für wechselnde digitale Plattformen (Desktop-Rechner, internetfähige Fernseher, Smartphones u. a.) auffasst.
Den Umschlag vom (‚analogen‘) Medium zum (digitalen) Format will der Vortrag anhand von Adobe Photoshop illustrieren. Ende der 1980er Jahre entwickelt, stellt das Programm inzwischen den industrieweiten Standard für professionelle digitale Bildbearbeitung dar. Wohl beinahe alle fotografischen Bilder, die man in der Öffentlichkeit zu sehen bekommt (auf Werbeplakaten, in Magazinen, auf Produktverpackungen usw.), wurden damit nachbearbeitet bzw. digital ‚in Form‘ gebracht. Photoshop ist das dominierende Bildformat der industriellen visuellen Kultur. Die Funktionalität des Programms, von der einfachen Tonwertkorrektur über die Scharfzeichnungsfilter bis hin zum komplexen Composing mit Masken und Ebenen, bestimmt die Ästhetik unserer digitalen Bildwelt wesentlich mit – die makellosen Körper und Gesichter der Magazinschönheiten ebenso wie die berüchtigten „Photoshop fails“.
Wegen der Allgegenwart der damit retouchierten und konstruierten Bilder ist Photoshop als Testfall für neuere medienwissenschaftliche Ansätze wie Software Studies, Critical Code Studies und Platform Studies prädestiniert, die das technische Funktionieren und die kulturelle Wirksamkeit von Computerprogrammen und -systemen zu beschreiben und erklären versuchen. Der Vortrag soll in Form eines Werkstattberichts aus einem laufenden Forschungsprojekt zu Adobe Photoshop zeigen, inwiefern solche Methoden am Beispiel einer weitverbreiteten Anwendung zur historischen wie theoretischen Klärung des Verhältnisses von Medium und Format beitragen können. Ein kurzer Einblick in den Quellcode des Programms (in der frühen Version 1.0.1), eine Skizze der Struktur des Dateiformats („Photoshop Document“, .psd), eine Analyse der Benutzeroberfläche („Photoshop-Arbeitsbereich“) und eine Erläuterung einiger ausgewählter Funktionen sollen die Möglichkeiten und Grenzen der Analyse digitaler Formate beispielhaft demonstrieren.
Jens Schröter, Dr. phil. habil., Inhaber des Lehrstuhls „Medienkulturwissenschaft“ an der Universität Bonn. 2010-2014 Projektleiter (zusammen mit Prof. Dr. Lorenz Engell, Weimar): „Die Fernsehserie als Projektion und Reflexion des Wandels“. Antragssteller und Mitglied des Graduiertenkollegs 1769 „Locating Media“, Universität Siegen. Sprecher des Projekts „Die Gesellschaft nach dem Geld“, VW Stiftung. Forschungsschwerpunkte, Digitale Medien, Photographie, Fernsehserien, Dreidimensionale Bilder, Intermedialität, Kritische Medientheorie. April/Mai 2014: „John von Neumann“-Fellowship an der Universität Szeged; September 2014: Gastprofessur an der Guangdong University of Foreign Studies, Guangzhou, VR China; WS 14 15 Senior-Fellowship am DFG-Forscherkolleg „Medienkulturen der Computersimulation“, Leuphana-Universität Lüneburg. SS 17 Senior-Fellowship am IFK, Wien. WS 17 18 Senior-Fellowship am IKKM, Weimar. Buchveröffentlichungen u.a.: 3D. History, Theory and Aesthetics of the Transplane Image, Bloomsbury: New York u.a. 2014; Hrsg. Handbuch Medienwissenschaft, Stuttgart, Metzler 2014. Visit www.medienkulturwissenschaft-uni.bonn.de.
Till A. Heilmann (Dr. phil.) forscht und lehrt an der Abteilung für Medienwissenschaft der Universität Bonn. Studium der Germanistik, Medienwissenschaft und Geschichte in Basel. Assistent am Seminar für Medienwissenschaft der Universität Basel (2003–2014) und am Seminar für Medienwissenschaft der Universität Siegen (2014–2015); Promotion mit einer Arbeit zum Computer als Schreibmaschine (2008); Gastwissenschaftler an der Universität Siegen (2011); Fellow-in-Residence am Obermann Center for Advanced Studies der University of Iowa (2012); Habilitationsprojekt zu Photoshop als Bildarchiv der Moderne (laufend). Arbeitsgebiete: Mediengeschichte; Medientheorie; Mediensemiotik; Fachgeschichte. Forschungsschwerpunkte: digitale Bildbearbeitung; Algorithmen und Computerprogrammierung; nordamerikanische und deutschsprachige Medienwissenschaft. Ausgewählte Publikationen: »Innis and Kittler: The Case of the Greek Alphabet«, N. Friesen (Hg.): Media Transatlantic, 2016, S. 91–110; »Zur Vorgängigkeit der Operationskette in der Medienwissenschaft und bei Leroi-Gourhan«, Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie 2 (2016): 7–29; »Datenarbeit im ›Capture‹-Kapitalismus. Zur Ausweitung der Verwertungszone im Zeitalter informatischer Überwachung«, Zeitschrift für Medienwissenschaft 2 (2015): 35–48; »Reciprocal Materiality and the Body of Code«, Digital Culture & Society 1/1 (2015): 39–52; »Handschrift im digitalen Umfeld«, Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 85 (2014): 169–192; »›Tap, tap, flap, flap.‹ Ludic Seriality, Digitality, and the Finger«, Eludamos 8/1 (2014): 33–46; Textverarbeitung. Eine Mediengeschichte des Computers als Schreibmaschine (2012); »Digitalität als Taktilität. McLuhan, der Computer und die Taste«, Zeitschrift für Medienwissenschaft 2 (2010): 125–134.